VON DER KREISKLASSE AUF EUROPAS THRON
Als er 1953 sein Studium an der gerade drei Jahre alten Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) begonnen hatte, gab es den gleichnamigen Sportclub noch nicht, der wurde erst ein Jahr später gegründet. Langrock wollte Sportlehrer werden und Handball spielen. Dafür war er mit fast 1,90 m bestens geeignet. „Damals waren noch nicht alle Handballer so groß wie jetzt“, sagt der heute 85-Jährige. Er schloss sich der HSG (Hochschul-Sportgemeinschaft) Wissenschaft DHfK an und erlebte noch die Anfänge in der ersten Kreisklasse. Gemeinsam unter anderem mit Ewald Astrath (gestorben am 25. Dezember 2007), dem späteren Torhüter und Trainer des SC Dynamo Berlin, und Herbert Hensel (gestorben am 18. November 2018), der zu einem der besten Schiedsrichter der DDR wurde.
Mit dem SC DHfK vollzog Langrock einen einzigartigen Durchmarsch. Nachdem das Team von der DDR-Liga 1958 in die Oberliga, die höchste Spielklasse, aufgestiegen war, holte es seinen ersten Titel, als am 28. Februar 1959 in Magdeburg mit der BSG Motor Gohlis-Nord der Ortsrivale bezwungen wurde. Damals wurden die Meisterschaften noch mit einem Endspiel entschieden. Ein Jahr später, am 21. Februar, setzten sich die Leipziger Sportstudenten in Berlin 19:18 gegen den ASK Vorwärts durch.
Für Langrock war danach Schluss. Er arbeitete an verschiedenen Schulen in Torgau als Sportlehrer und erinnerte sich an eine schöne Zeit in Leipzig. „Schließlich habe ich mit vielen zusammengespielt, die später im Handball eine große Rolle spielten.“ Zur Partie gegen den Bergischen HC hat er wie viele von einst eine Einladung erhalten und hofft, viele Bekannte zu treffen. Reiner Leonhardt zum Beispiel.
Leonhardt fungierte damals in Aue als Spielmacher. Bis 1971 war er aktiv, danach zehn Jahre lang Trainer des Oberliga-Teams. Ab 1987 arbeitete er im Nachwuchs und übernahm schließlich wieder die erste Mannschaft. Bis 1991 saß er auf der Bank. In all den Jahren hat er immer wieder viele alte Bekannte aus seiner Leipziger Zeit getroffen, denn viele von ihnen sind wie er Trainer geworden. In Rostock traf er Klaus Langhoff, in Schwerin wurde er von Erwin Kaldarasch begrüßt, in Magdeburg hieß ihn Klaus Miesner willkommen. Und in Leipzig musste er ohnehin immer viele Hände schütteln, wenn er Hans-Gert Stein, Paul Tiedemann, Dieter Neiling, Lothar Fährmann, Dieter Wöhler, Otto Hölke oder Klaus Franke begegnete. „Alle sind ja irgendwie dem Handball verbunden geblieben, ob als Trainer oder in der Ausbildung von Studenten.“
Einer der DHfK-Spieler, der als Trainer große Erfolge feierte, war Klaus Miesner – abgesehen natürlich von Paul Tiedemann und Klaus Langhoff, die die DDR-Nationalmannschaft 1980 in Moskau zum Olympiasieg geführt hatten. Miesner (gestorben am 11. Januar 1989) war 1963 nach Magdeburg zurückgekehrt. Unter ihm gewann der SCM neun Meistertitel, vier Pokalsiege und zwei EC-Siege.
Welche Wertschätzung Miesner in Magdeburg über seinen Tod hinaus erfährt, hat Lothar Doering erlebt, als er von 1994 bis 1998 Trainer des SCM und Vorgänger von Alfred Gislason war. Doering, selbst Spieler des SC DHfK von 1969 bis 1975 und danach für den SC Leipzig, als die Grün-Weißen mit den Blau-Gelben fusionierten, hat deutlich gespürt, wie sehr der frühere Kreisspieler an der Elbe geschätzt wurde. „Es war irgendwie so, als ob Klaus Miesner seine Aura überall hinterlassen hätte.“


Die Handballerinnen des SC Leipzig genossen unter den Fans hohes Ansehen und waren ihren männlichen Kollegen im Frühjahr 1966 um eine Woche voraus. Sie hatten den Europapokal-Sieg schon am 16. April perfekt gemacht, HG Kopenhagen im Final-Rückspiel 10:5 bezwungen, nachdem das Hinspiel in Dänemark bereits 7:6 gewonnen worden war. Zu Hause spielten sie damals übrigens in der Grube-Halle der DHfK, der Umzug in die Sporthalle Leplaystraße erfolgte erst Anfang 1968. Ihr Trainer Peter Kretzschmar (gestorben am 9. September 2018) hatte eine Mannschaft geformt, in der vor allem auf Teamgeist gesetzt wurde und aus der Weltklassespielerinnen wie seine spätere Ehefrau Waltraud Kretzschmar (gestorben am 7. Februar 2018) und Torhüterin Hannelore Zober hervorgingen.
„Wir waren eine wirkliche Einheit auf dem Feld“, schwärmte Hannelore Zober noch vor wenigen Monaten. Wie groß die Spuren seiner Eltern nach wie vor in der Stadt sind, beschrieb Stefan Kretzschmar, als er 2009 begann, die DHfK-Männer bei ihrem Neubeginn als Aufsichtsrat zu unterstützen. „Überall in Deutschland bin ich Kretzsche“, sagte er. „Aber in Leipzig bin ich vor allem der Sohn von Traudl und Pit.“
Es wird viel über die Vergangenheit zu erzählen geben, wenn sich die EC-Siegerinnen und -Sieger beim Spiel des SC DHfK gegen den Bergischen HC treffen. Doch auch die Gegenwart soll nicht zu kurz kommen. „Was hier ab 2007 von Karsten Günther und seinen Mitstreitern wieder auf die Beine gestellt wurde, ist einfach großartig“, lobt Reiner Leonhardt. Es sei praktisch wieder bei Null begonnen worden in dem Verein, der so viele Spuren in der Handball-Welt hinterlassen hat.
Autor: Winfried Wächter“