Jetzt direkt zur APP

X

KLEINER HINWEIS MIT GROSSER WIRKUN

HANS-DIETER WÖHLER SPIELTE FÜR SEINEN VEREIN AUCH VIELE JAHRE SPÄTER NOCH EINE WICHTIGE ROLLE, WAS ER ALLERDINGS BESTREITET
Nein, Hans-Dieter Wöhler möchte auf keinen Fall, dass die Geschichte überbewertet dargestellt wird. Dass sein Anteil daran so verstanden werden könnte, als wäre er etwa der Hauptakteur gewesen. Das ist gar nicht in seinem Sinne, auch wenn er sich natürlich sehr darüber freut, dass letztlich alles so gekommen und auch richtig gut gelaufen ist.
Es handelt sich um eine schöne Geschichte, in der es um die Wiedergeburt des DHfK-Handballs geht und an der einer der Europapokal-Legenden von 1966 beteiligt war. Hans-Dieter Wöhler eben, wohl eher mehr als weniger. Auch wenn der einstige Linksaußen und Aufbauspieler im linken Rückraum seine Rolle daran bescheiden zurückweist.
Die Geschichte beginnt im Jahr 2007, als bei der SG Motor Gohlis-Nord große Pläne für Leipzigs Männerhandball geschmiedet wurden. Dieser hatte sich 1995 verabschiedet. Der ehemalige SC Leipzig hatte sich 1993 aufgelöst, die Handballer waren als Zweitligist zum SC DHfK gewechselt. Um doch die Klasse nicht halten zu können und sich danach aufzulösen. Zwar bestand die Handball-Abteilung im Verein weiter, doch ambitionierte Anstrengungen wurden nicht mehr unternommen. Konnten wohl auch nicht, denn die finanziellen Bedingungen hätten das auch kaum hergegeben. Leipzigs Männerhandball fand fortan durch die SG LVB in der dritten Liga seinen höchstklassigen Vertreter.
Karsten Günther, Peter Pausch und Norbert Schlegel, die MoGoNo-Führungscrew der Handball-Abteilung, überlegten 2007, wo sie ihre großen Ambitionen und den Traum von der Bundesliga am besten umsetzen könnten. In ihrem bisherigen Verein waren sie für den leistungsorientierten Handball an Grenzen gestoßen. Erster Ansprechpartner für den Viertligisten war aus naheliegender Gründen die SG LVB. Dort stießen sie allerdings mit ihrer Offerte auf Bedenken und Zweifel. Pausch arbeitete schon damals als Sportlehrer an der HTWK (Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur), sprach mit seinem dortigen Kollegen darüber, der ihm nahelegte, doch mit dem SC DHfK das Gespräch zu suchen. Bei diesem Kollegen handelt es sich um Hans-Dieter Wöhler. Dessen Rat erwies sich letztlich als Volltreffer.
Also wäre die Erfolgsgeschichte der DHfK-Handballer ohne ihn vielleicht nie geschrieben worden. „Das war doch nur ein kleiner Hinweis, dort mal anzufragen“, bleibt Wöhler bei seiner Meinung. Doch der kleine Hinweis hatte bekanntlich große Wirkung, und Wöhler gehört von Anfang an zu den Stammgästen bei den Heimspielen seiner Nachfolger. Sei es in der Grube-Halle der Sportfakultät der Uni Leipzig (vormals DHfK) oder später in der Arena. Dass ihm bei der erstgenannten Spielstätte häufig durchaus nostalgische Erinnerungen beschlichen, lässt sich denken. Schließlich hatte für die Sportstudenten an dieser Stelle alles begonnen, der 1966 im Siegeszug durch Europa endete und mit dem gewonnenen Finale von Paris gegen Honved Budapest seine Krönung fand.
Davon träumte der 19-Jährige nicht, als er 1960 in Doberlug-Kirchhain gerade das Abitur abgelegt hatte. Handball spielte er dort im Brandenburgischen auch und war – wie alle seine späteren EC-Weggefährten – ein guter Leichtathlet. Mit Sport sollte es schon etwas sein, was jetzt in Angriff genommen werden würde. Von der Sporthochschule in Leipzig, der DHfK, hatte er schon oft gehört, und da wollte er hin. Allerdings war das nicht sofort möglich. Entweder, vor dieser Wahl stand er damals, es folgte zunächst der Armeedienst oder ein Jahr in der Produktion. „Zur Armee wollte ich nicht“, sagt er. Also fiel seine Entscheidung für Letzteres aus und der Umzug nach Böhlen, um im Chemiekombinat als Kesselwärter zu arbeiten, im Drei-Schicht-System. Es fügte sich gut, dass hier auch ein Handball-Verein ansässig war, der den jungen Mann gerne aufnahm.

1961 schließlich begann er das Studium an der DHfK und gehörte zur ersten Mannschaft des Sportclubs. Mit seinen 1,88 m war er eine stattliche Erscheinung, denn die Handballer waren zu dieser Zeit noch nicht so groß wie heute. Die durchschnittliche Körpergröße der Europapokal-Sieger betrug gerade 180,5 cm, Wöhler ragte also heraus. Inzwischen hat er sich freilich daran gewöhnt, dass er nach oben schauen muss, wenn er mit vielen aktuellen DHfK-Spielern spricht.

Zu seiner Zeit sei das körperbetonte Spiel bei weitem noch nicht so ausgeprägt wie heute. „Da hat schon eine enorme Entwicklung stattgefunden“, findet er. Zu vergleichen sei der Handball von damals mit dem von heute nur noch schwer. Aber dass es in der Mannschaft stimmen müsse, daran habe sich nichts geändert. „Und bei uns“, bekräftig Wöhler, „da hat es gestimmt.“ Keiner habe sich in den Vordergrund gedrängt, jeder habe sich für den anderen eingesetzt. „Wir haben uns alle super verstanden. Ich kann mich nicht an einen Streit erinnern. Bei uns war die Mannschaft immer das A und O.“ Alle seien wissbegierig gewesen und hätten sich weiterentwickeln wollen. „Diese Stimmung war sicher ein wichtiger Grund, weshalb wir so erfolgreich waren.“

1969 war führ ihn Schluss mit dem Leistungssport. Er hatte sich beim leichtathletischen Mehrkampf beim Weitsprung schwer verletzt. Was den späteren Sportlehrer an der Hochschule für Bauwesen (später Technische Hochschule, seit 1992 HTWK) nicht hinderte, unterklassig weiterzuspielen. Doch als ihm 1992 bei einem Großfeldspiel zwischen den Stadtmannschaften von Leipzig und Freiberg in den rechten Wurfarm gegriffen wurde und der Bizeps riss, war endgültig Schluss.

Apropos Großfeld – Wöhler hat diesbezüglich gleichfalls Erfolge aufzuweisen. Nach dem EC-Sieg am 22. April 1966 erfolgte für die DDR-Nationalmannschaft die Vorbereitung auf die WM in Österreich. Dass es die letzte sein würde, weil sich der Hallenhandball endgültig durchgesetzt hatte, war absehbar. „Auf dem Großfeld hat es dennoch auch oft Spaß gemacht“, erinnert er sich und schränkt gleich ein: „Freilich nicht immer. Schönes Wetter und guter Rasen waren schon eine wichtige Voraussetzung.“ Wöhler hat Spiele bestritten, in denen der Ball nach dem Dribbling nicht mehr aufsprang, weil er im Matsch regelrecht versank. „Das war dann nicht so prickelnd.“ Bei der WM in Österreich belegte die DDR hinter der Bundesrepublik Rang zwei. Es gab kein reines Finale, alle sechs Mannschaften spielten eine Partie gegeneinander. Doch der Vergleich am letzten WM-Tag in Linz zwischen den deutschen Teams erhielt Endspielcharakter, nachdem beide ihre Spiele vorher gewonnen hatten. Am Ende stand es 15:15. Die Bundesrepublik gewann den Titel durch das bessere Torverhältnis, gegen Polen mit hatte sie beim 26:4 einen Kantersieg gelandet. „Das konnten wir nicht mehr aufholen“, seufzt Wöhler. Aber dennoch ist der Europapokalsieger mit dem Jahr 1966 sehr zufrieden.

Autor: Winfried Wächter
chevron-down