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WIR WAREN EINE EINGESCHWORENE TRUPPE

PETER RANDT – DER SEHR GUTE LEICHTATHLET, DER EIN HERVORRAGENDER HANDBALLER WURDE
Die Erinnerungen an den 22. April 2016 gehen Peter Randt noch immer unter die Haut. Diese Stimmung auf den Rängen, der lang anhaltende Beifall, als er und seine einstigen Mannschaftskameraden im Mittelkreis standen, und euphorisch begrüßt wurden. Leipzig hatte seine Europapokal-Sieger nicht vergessen. Auf den Tag genau vor 50 Jahren hatten sie sich in Paris gegen Honved Budapest durchgesetzt und 16:14 gegen den ungarischen Armeeklub gewonnen.„Es war unbeschreiblich, als wir nun nach so langer Zeit so euphorisch gefeiert wurden“, sagt Randt. Da passte es natürlich gut, dass an diesem Freitagabend die Nachfolger der DHfK-Helden die Füchse Berlin 25:23 bezwangen. Weil nach der Halbzeit ein Vier-Tore-Rückstand aufgeholt wurde, geriet die Arena Leipzig regelrecht zum Tollhaus. Dieser Sieg war einer der Höhepunkte im ersten Bundesliga-Jahr der Grün-Weißen. Da passte es wie der Punkt aufs i, dass die Randt & Co. unter den Zuschauern saßen.
Doch es sei nicht alleine die Atmosphäre in der Halle mit den über 5500 Zuschauern gewesen, weshalb Randt so gerne an dieses Treffen mit seinen ehemaligen Mannschaftskameraden denkt. „Die Verantwortlichen, allen voran Karsten Günther und Ferry Sárközi, haben sich hervorragend um uns gekümmert und uns damit eine große Freude bereitet“, so Randt. Dazu zählte auch ein Treffen zwischen Alt und Jung am nächsten Vormittag, bei dem über alte und neue Zeiten geplaudert wurde.

Dass Randt während des Spiels gegen die Füchse den rechten Rückraum besonders beobachtetet hatte, lag auf der Hand. Dort war der Linkshänder früher selbst im Einsatz, ebenfalls auf Rechtsaußen. An jenem 22. April 2016 gehörte seine Hochachtung daher vor allem Franz Semper. Sechs Tore hatte der damals noch Neunzehnjährige zum Sieg gegen den großen Favoriten aus Berlin beigetragen.

Randt war sechs Jahre älter, als er in Paris mit dem SC DHfK den Europapokal gewann. „Irgendwie“, sagt er rückblickend, „war ich damals aber noch nicht erwachsen genug.“ Ihm sei noch nicht alles bewusst gewesen, was da passierte. Er war wie viele andere aus seiner späteren Mannschaft als junger Kerl zum Studium an die Deutsche Hochschule für Körperkultur aus dem heimatlichen Güstrow nach Leipzig gekommen. Nicht unbedingt mit dem Ziel, erfolgreicher Handballer zu werden. Der Mecklenburger, der zu Hause in Güstrow auf der Kinder- und Jugendsportschule mit mehreren Sportarten Bekanntschaft schloss, war nämlich eigentlich Leichtathlet mit dem Spezialgebiet Mehrkampf. Springen, rennen, werfen – da fühlte er sich in seinem Element. Handball spielte er freilich auch, aber eben nicht so ambitioniert, wie man es vielleicht heute vermuten könnte.

Wie auch immer, in Leipzig traf Randt 1960 unter anderem auf Torhüter Klaus Franke, der wie er aus Güstrow stammte, und auf Klaus Langhoff, den er aus Rostock kannte. Beide machten sich für Randt bei den Trainern stark. Der spielte damals in der zweiten Mannschaft, und es dauerte nicht lange, bis er in die „Erste“ kam. „Das hat mir auch deshalb gefallen, weil es im Sportklub wesentlich besseres Essen gab“, lacht er. Doch unabhängig davon, fühlte er sich im neuen Kreis sehr wohl. „Wir waren eine eingeschworene Truppe“, sagt er. „Die älteren Spieler nahmen die jüngeren unter ihre Fittiche.“ Und fast alle hatten wir er vorher Leichtathletik betrieben. Zum Beispiel Klaus Franke, Klaus Langhoff, Erwin Kaldarasch oder Hannes Eichhorn. Was kein Nachteil war, denn der DDR-Handballverband hatte für die Handballer in den Sportklubs stets verkürzte Mehrkämpfe angesetzt. Angesichts von Randts sportlicher Vorgeschichte lässt sich denken, wer aus ihnen als Sieger hervorging. Er lief die 100 m in elf Sekunden (handgestoppt), blieb im Hochsprung mit einer Bestmarke von 1,80 m nur zwei Zentimeter unter seiner Körpergröße und im Weitsprung fehlte ihm nur ein Zentimeter an der Sieben-Meter-Marke.
Doch der Handball hatte in Randts sportlichem Leben längst die Oberhand gewonnen. Den größten Anteil an seiner Entwicklung schreibt er seinem Trainer Hans-Gert Stein zu. Er wurde Nationalspieler, nahm an den Weltmeisterschaften 1967 in Schweden und 1970 in Frankreich teil. Vier Jahre nach dem EC-Sieg mit dem SC DHfK stand er in Paris erneut in einem Endspiel, das die DDR nach zweimaliger Verlängerung 12:13 gegen Rumänien verlor.

Zu den Höhepunkten seiner Laufbahn zählt der 116-fache Nationalspieler die Olympischen Spiele 1972. Die Handball-Premiere auf der olympischen Bühne beendete die DDR als Vierter, nachdem sie das Spiel um Platz drei gegen Rumänien 16:19 verloren hatte. Viel hatte nicht zum Finale und damit zur sicheren Medaille gefehlt. Doch nach der verlustpunktfreien Vorrunde reichte es nach der 8:11-Niederlage gegen die Sowjetunion im ersten Spiel der Hauptrunde am Ende wegen des schlechteren Torverhältnisses gegenüber der Tschechoslowakai nur zu Rang zwei in dieser Gruppe und damit zum Spiel um Bronze. Randt geht nach wie vor davon aus, dass die Partie gegen die Sowjets anders ausgegangen wäre, hätte es in den Morgenstunden des 5. September im olympischen Dorf nicht den Anschlag palästinensischer Terroristen gegeben. Ursprünglich sollte an diesem Tag gespielt werden, doch alle Wettkämpfe wurden nach den schlimmen Ereignissen um einen Tag verschoben. „Das hat uns schon aus dem Rhythmus gebracht“, sagt Randt.

Zwei Jahre nach den Spielen in München zog er nach Rostock, betreute die Empor-Junioren und arbeitete als Co-Trainer der Oberliga-Mannschaft, die 1981/82 den Europapokal der Pokalsieger im Endspiel gegen Dukla Prag und das folgende Finale der Vereins-Europameisterschaft gegen den Landesmeister-Sieger Honved Budapest gewann. Zur Wendezeit war er für die DDR-Juniorenauswahl verantwortlich, als ihn ein Angebot aus Bad Säckingen an der Schweizer Grenze unweit von Basel erreichte. Randt arbeitete fortan in einer Reha-Klinik und führte den dortigen Handballverein bis in die Landesliga. Den Niedergang des Leipziger Handballs hat der Europapokal-Sieger mit Wehmut verfolgt und kaum noch an eine Renaissance geglaubt. Bis zum 22. April 2016, da er vor Ort spürte, dass das Erbe der EC-Helden von 1966 in guten Händen liegt.

Autor: Winfried Wächter

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